Springe direkt zu Inhalt

BMBF-Forschungsschwerpunkt | Steuerung im Bildungssystem

Projekt: Funktionen von Schulinspektion: Erkenntnisgenerierung, wissensbasierte Schulentwicklung und Legitimation

Projekt: Funktionen von Schulinspektion

Projekt: Funktionen von Schulinspektion

News vom 18.07.2017

  1. Studienhintergrund

Ausgehend von Befunden des Vorläuferprojekts „Schulinspektion als Steuerungsimpuls" (10/2010-09/2013), untersuchte das Verbundprojekt die Logik und Herausforderungen von Reformprozessen im Schulsystem am Beispiel des Steuerungsinstruments Schulinspektion. Das Vorhaben setzte dabei an den als zentral geltenden Funktionen der Evidenzbasierung politisch-administrativen Handelns und der Initiierung evidenzbasierter Schulentwicklungsprozesse an. Gefragt wurde zum einen danach, inwieweit das Instrument der Schulinspektion der Erkenntnisgenerierungs- und Schulentwicklungsfunktion gerecht werden kann, die ihm im Rahmen des Programms einer evidenzbasierten Schulsystemsteuerung zugeschrieben werden (Teilprojekt B). Zum anderen wurde danach gefragt, welche Bedeutung die Erfüllung dieser Funktionen für die politisch-administrative Legitimation der Schulinspektion hat, und was die Einbettung in bürokratische Strukturen für die Prozessierung des Instruments bedeutet (Teilprojekt A).

2. Forschungsdesign

Das Instrument der Schulinspektion wurde im Rahmen des Verbundprojekts mithilfe eines qualitativen Forschungsdesigns und vor dem Hintergrund governanceanalytischer Überlegungen in seiner Einbettung in eine komplexe Instrumenten-, Daten- und Akteurskonstellation analysiert. Die empirische Grundlage hierfür bildeten leitfadengestützte Interviews mit Vertreter/inne/n relevanter Akteursgruppen auf den unterschiedlichen Ebenen des Schulsystems (administrative Akteure der Schulinspektionssysteme, Vertreter/innen der Schulaufsicht und der Schulträger, Schulleitungen, Lehrer/innen, Eltern). Auf dieser Basis wurden in Teilprojekt A schulinspektionsbezogene administrative Handlungslogiken, insbesondere administrative Legitimationsmuster, objektiv-hermeneutisch rekonstruiert. In Teilprojekt B wurde mithilfe des Verfahrens des thematischen Kodierens und auf Basis des Datenmaterials aus erster und zweiter Förderphase ein qualitativer Längsschnitt schulischer Entwicklungsprozesse angefertigt und die Bezugnahmen politisch-administrativer Akteure auf die Erkenntnisgenerierungsfunktion der Schulinspektion empirisch nachvollzogen. Die Ergebnisse der beiden Teilprojekte wurden abschließend triangulativ aufeinander bezogen.

3. Ergebnisse

Eine der zentralen Thesen, die im Rahmen des Verbundprojekts entwickelt wurden, ist, dass es im Kontext der aktuellen Schulsystemsteuerung und hier insbesondere im Schulinspektionskontext zu einer verstärkten Politisierung der Bildungsverwaltung kommt. Das bedeutet, dass für die Bildungsverwaltung Fragen der Legitimation der eigenen Arbeit sowohl gegenüber der Politik als auch gegenüber den Einzelschulen in besonderer Weise relevant werden. Vor diesem Hintergrund reicht es für die administrativen Akteure der Schulinspektion nicht mehr aus, politisch formulierte Ziele formal-rational zu bearbeiten. Vielmehr kommt es darauf an, bildungspolitische Reformen als administrative Projekte zu konzipieren, d. h. sie mit einem Sinn auszustatten, der intern und extern kommunizierbar ist, und so innerhalb der Kultushierarchie eigene Mehrheiten für diese administrativen Projekte zu beschaffen. Dieser neuen Verhältnisbestimmung von Politik und Verwaltung im Kontext der aktuellen Schulsystemsteuerung entspricht eine neue Verhältnisbestimmung von Bildungsadministration und Einzelschule. Zwar gibt es nach wie vor Schulen, die sich in erster Linie „im Schatten der staatlichen Hierarchie“ bewegen, deren Verarbeitung von Schulinspektionsergebnissen also vorrangig daran orientiert ist, staatlich-normative Vorgaben zu erfüllen. Daneben existiert jedoch ein zweiter Typ von Schulen, der in seiner Verarbeitung der Inspektionsergebnisse deutlich autonomer agiert. Die schulischen Akteure dieses Typus nutzen u. a. Inspektionsergebnisse, um sich in ihrem regionalen Umfeld und auch gegenüber der Bildungsadministration als eigenständiger Akteur zu profilieren. Die im Kontext der aktuellen „neuen“ Schulsystemsteuerung propagierte „Autonomisierung“ der Einzelschule erfordert insofern eigentlich eine professionelle Adressierung der schulischen Akteure durch die Bildungsadministration, d.h. eine Form der Beziehung, die konsens- und nicht kontrollorientiert ist. Die Voraussetzung für eine solche „neue“ Form der Adressierung der Einzelschule im Kontext der aktuellen Schulsystemsteuerung wäre jedoch eine Entbürokratisierung der Bildungsverwaltung, durch die Fragen der Legitimation und der Legitimität des eigenen Handelns überhaupt erst einmal in den administrativen Blick gelangen würden. Die Schulinspektion, zumindest dann, wenn man sie als Teil der Verwaltung konzipiert, hat insofern weniger ein Erkenntnis-, als vielmehr ein Adressierungsproblem.

 

Projektverantwortliche

Prof. Dr. Martin Heinrich (Universität Bielefeld, Verbundkoordination)

Prof. Dr. Thomas Brüsemeister (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Prof. Dr. Jochen Wissinger (Justus-Liebig-Universität Gießen)

 

Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Projekt

Maike Lambrecht, M.A. (Universität Bielefeld)

Lisa Gromala, M.A. (Justus-Liebig-Universität Gießen)

 

Kontakt

  • Maike.Lambrecht@uni-bielefeld.de
  • Lisa.Gromala@sowi.uni-giessen.de