Schulentwicklung unter Bedingungen vielfacher Bildungsrisiken - Fallstudien zu zwei erfolgreichen Schulen mit multikultureller Schülerschaft in benachteiligten Schulen
News vom 18.04.2012
Im Rahmen der Studie „Bildungsbezogene Integration unter Bedingungen multipler Bildungsrisiken“ untersuchen Jun.-Prof. Dr. Nicolle Pfaff und ihre Mitarbeiter/-innen Bedingungen der erfolgreichen schulischen Arbeit in benachteiligten Quartieren deutscher Großstädte. In zwei Fallstudien zu Einzelschulen werden Interviews und Gruppendiskussionen mit Akteuren an den Untersuchungsschulen und in ihrem Umfeld vor dem Hintergrund sozial- und bildungsstatistischer Daten zu den Untersuchungsregionen dokumentarisch interpretiert. In den Analysebereichen Lehren und Lernen, Schulmanagement und Kooperation werden auf diese Weise förderliche und hinderliche Entwicklungsbedingungen für Schulen in segregierten Stadtteilen herausgearbeitet.
Erste Resultate beziehen sich auf die Frage, welchen besonderen Problemen Schulen in benachteiligten Quartieren gegenüberstehen und welche Strategien des Umgangs mit diesen Problemen sie wählen. So stellt sich für die untersuchten Schulen die Herstellung schulischer und unterrichtlicher Ordnung in zentraler Weise als problematisch dar. Insbesondere abweichendes Schülerverhalten im Bereich der Peerkultur und die Ablehnung von schulischen Verhaltenserwartungen im Kontext von Unterricht und Schulleben stellen die hier arbeitenden Professionellen vor die Herausforderung, ständig aktiv für die für Schule grundlegenden Interaktionsbedingungen eintreten zu müssen. Im Umgang mit deviantem Verhalten Lernender lassen sich an den Untersuchungsschulen verschiedene Praktiken unterscheiden, in denen Regelverletzungen ausgeblendet und tabuisiert, kriminalisiert und geahndet oder im Kontext ihrer individuell-biographischen Bedingtheit gesehen bzw. als Probleme Lernender in Beratungs- und Therapieangebote überführt werden. Aus der Sicht der schulischen Professionellen erweisen sich darüber hinaus besonders zwei Strategien als erfolgreiche Lösungsversuche des Ordnungsproblems der Schulen. Dabei handelt es sich einerseits um die Einbeziehung externer Akteure als Ordnungsstifter in Schule und Unterricht, andererseits um enge Kooperationen auf der Basis definierter Verantwortungsbereiche zwischen unterschiedlichen Professionen in der Schule. Die skizzierten Praktiken des Umgangs sind dabei als Ausdruck spezifischer Schulkulturen zu verstehen, zu denen auch verschiedene Praktiken des Schulmanagements sowie der internen und externen Kooperation zählen.
Weitere Schwerpunkte der Analysearbeit ergeben sich durch die aktuelle Einbindung der Untersuchungsschulen in regionale Schulstrukturreformen, in deren Rahmen an beiden Untersuchungsstandorten integrative Schulformen entstehen und die Schullandschaft durch Schulfusionen neu geordnet wird. In diesem Zusammenhang wird einerseits deutlich, dass die Integration von Bildungsgängen auf der Ebene der Einzelschulen starke Innovationsimpulse setzt. Andererseits zeigen sich Überlagerungen von Strukturreform und Schulfusion, die zunächst Stagnationen im Bereich der Schulentwicklung auslösen. Zielgerichtete Schulentwicklungsprozesse entstehen vor diesem Hintergrund besonders an Schulen, in denen aktuelle Transformationsanforderungen in die Dynamik fortlaufender Entwicklungsprozesse an Einzelschulen integriert werden.
In den kommenden Monaten wird sich das Forschungsteam auf die weitere Ausarbeitung der Analyseschwerpunkte Schulmanagement und Kooperation konzentrieren. Im Hinblick auf eine praktische Verwertung der Befunde soll darüber hinaus ein Entwicklungsleitfaden für Schulen in benachteiligten Stadtteilen erstellt werden.
Kontakt: npfaff@gwdg.de