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BMBF-Forschungsschwerpunkt | Steuerung im Bildungssystem

Berichte aus den Projekten

„Evidenzbasiertes Handeln im schulischen Mehrebenensystem – Bedingungen, Prozesse und Wirkungen“ (EviS II)

Übersicht zum Forschungsprojekt EviS

Übersicht zum Forschungsprojekt EviS

Studienhintergrund:

Mit dem gerade abgeschlossenen SteBis-Verbundprojekt „Evidenzbasiertes Handeln im schulischen Mehrebenensystem – Bedingungen, Prozesse und Wirkungen (EviS II)“ knüpft der Forschungsverbund aus Mainz und Münster an die Studien und Befunde der ersten Förderphase (EviS I) an. Ziel war es, aus interdisziplinärer Sicht und mithilfe unterschiedlicher methodischer Ansätze die Bedingungen, Prozesse und Wirkungen datenbasierten Handelns in der Schul- und Unterrichtspraxis zu untersuchen.

Im Rahmen der ersten Förderphase konnte gezeigt werden, dass Lehrkräfte und Schulleitungen ihr eigenes professionelles Handeln nur bedingt auf der Grundlage von Evidenzen gestalten. Dabei unterscheiden sich jedoch Schulen und ihre Akteure bezüglich ihrer Evidenzbasierung zum Teil sehr stark, und ein professioneller Umgang mit Evidenzen wird durch viele Faktoren auf den unterschiedlichen (individuellen, lehrkollegialen und schulorganisationalen) Ebenen beeinflusst.

Darauf aufbauend wurde in Evis II eine längsschnittliche, über mehrere Untersuchungszeitpunkte verteilte, Betrachtung vorgenommen, wobei ein besonderer Fokus auf die Rolle und Handlungsbedingungen von Schulleitungen, gelegt wurde. Die Studie wurde durch ergänzende vertiefende Analysen zu spezifischen Belastungsfaktoren in Schul- und Unterrichtspraxis begleitet. Diese Analysen liefern vor allem Erkenntnisse darüber, wie die Weiterentwicklung einer evidenzbasierten Schul- und Unterrichtspraxis effektiv beeinflusst werden kann.

Studiendesign:

Folgende Fragen wurden auf drei Ebenen (Organisation Schule, Schulleitung und Lehrkräfte) gestellt:

  • Wie wirken sich die organisationalen und personalen Bedingungsfaktoren über die Zeit auf das evidenzbasierte Handeln in Schulen aus?
  • Welche Rolle kommt der Schulleitung, insbesondere im Kontext des Spannungsverhältnisses verschiedener Rollen, im Rahmen evidenzbasierten Handelns zu?
  • Welche Hindernisse und Ressourcen sind bei der Umsetzung evidenzbasierten Handelns mit einem erweiterten Fokus auf spezifische Belastungsfaktoren im Schulkontext von Bedeutung?

Es erfolgte eine Fragebogenerhebung bei Lehrkräften und Schulleitungen an rheinland-pfälzischen Schulen (111 Schulen mit 1.513 Lehrkräften und 213 Schulleitungen). Vertiefende Aspekte wurden mittels Interviews (5 Schulen) und einer Tagebuchstudie erfasst (231 Referendare und Lehrkräfte).

Bisherige Analyseergebnisse:

Ergebnisse aus der ersten Förderphase haben gezeigt, dass die Einstellung der Lehrkräfte gegenüber Evidenz in einem Zusammenhang mit ihrem evidenzbasierten Handeln steht. Dieser Befund konnte mit den Daten aus der zweiten Förderphase bestätigt werden. Zudem zeigt sich, dass in Schulen, in denen nach Einschätzung ihrer Lehrkräfte eine positive Einstellung gegenüber evidenzbasiertem Handeln vorherrscht, auch häufiger evidenzorientiert gehandelt wird.

In den Analysen der Folgestudie konnten weiterhin Ressourcen identifiziert werden, die als förderliche Faktoren für Evidenzbasierung wirken. Einen substantiellen Effekt hat der sogenannte transformationale Führungsstil der Schulleitung. Dieser zeichnet sich unter anderem durch inspirierend motivierendes Verhalten, intellektuelle Stimulation des Lehrerkollegiums und ein individuelles Eingehen auf die Lehrkräfte aus. An Schulen, an denen der transformationale Führungsstil der Schulleitung von den Lehrkräften höher eingeschätzt wurde, konnte auch eine höhere Evidenzbasierung unter den Lehrkräften festgestellt werden. Ebenso konnte ein Einfluss des kooperativen Klimas in Schulen und Lehrkollegien auf die Evidenzbasierung ermittelt werden. Nehmen Lehrkräfte ihr Kollegium als kooperativ wahr bzw. wurden Kooperationen und Netzwerke zwischen den Lehrkräften gefördert, so gaben die Lehrkräfte an diesen Schulen eine höhere Evidenzbasierung an.

Darüber hinaus konnten Faktoren identifiziert werden, die für ein evidenzbasiertes Handeln hinderlich sind. Dies sind in erster Linie soziale Stressoren wie Konflikte mit den Kollegen. Bemerkenswerterweise kommt dem von vielen Lehrkräften genannten Zeitdruck eine eher untergeordnete Rolle als Hindernis für die Evidenzbasierung zu. Als bedeutender erweist sich die wahrgenommene Autonomie der Lehrkräfte. An Schulen, an denen die Lehrkräfte eine hohe Autonomie während ihrer Arbeit wahrnehmen, zeigt sich ein höheres evidenzbasiertes Handeln. Wird den Lehrkräften ein großer Handlungsspielraum gewährt, erhöht sich demnach auch die Evidenzbasierung.

Zum Abschluss des Projekts wird in einer Analyse mit mehreren Messzeitpunkten der Fragestellung nachgegangen, welchen Einfluss insbesondere die Handlungsbedingungen und die Rolle der Schulleitung sowie soziale Austausch- und Kooperationsprozesse an den Schulen auf die Entwicklung der Evidenzorientierung der Lehrkräfte ausüben.

Projektverantwortliche:

Prof. Olga Zlatkin-Troitschanskaia (Hauptverantwortliche Projektleitung Mainz)

Prof. Carmen Binnewies (Hauptverantwortliche Projektleitung Münster)

Kontakt:

troitschanskaia@uni-mainz.de

carmen.binnewies@uni-muenster.de

"Abschlusspruefungen als Steuerungsinstrument im Schulsystem: Die Bedeutung von Schulabschlussnoten bei der Einstellungsentscheidung von Unternehmen"

Leiter des Projekts: Prof. Dr. Ludger Wößmann

Leiter des Projekts: Prof. Dr. Ludger Wößmann

Studienhintergrund

Die Ergebnisse aus der ersten Förderphase deuten darauf hin, dass zentrale Abschlussprüfungen nicht nur als Instrument der Qualitätssicherung im Schulsystem wirksam sind, sondern auch längerfristig wirken, indem sie den Erfolg der Schüler am Arbeitsmarkt beeinflussen. Die vorhandene Literatur liefert allerdings keine Erkenntnisse darüber, wie Unternehmen die in zentralen bzw. dezentralen Prüfungssystemen erworbenen Schulnoten für ihre Einstellungsentscheidungen nutzen. In diesem Projekt wird die Bedeutung von Schulabschlussnoten im Vergleich zu anderen Lebenslaufmerkmalen bei Personalauswahl-Entscheidungen durch Unternehmen in Deutschland untersucht.

Es ist davon auszugehen, dass bei Lehrstellenbewerbern mit Mittlerer Reife, die direkt nach dem Schulabschluss in den Arbeitsmarkt eintreten, die Schulabschlussnote als unmittelbares Produktivitätssignal wirkt. Hochschulabsolventen hingegen haben neben der Abiturnote mit der Hochschulnote ein weiteres Produktivitätssignal erworben. Anhand eines kontrollierten Entscheidungsexperiments und anschließender Befragung unter Personalleitern in Deutschland wird die relative Bedeutung von Schulabschlussnoten, Hochschulnoten und anderen potenziellen Produktivitätssignalen wie Sprach- und Computerkenntnissen bei der Personalauswahl in Unternehmen ermittelt.

Studiendesign

An dem online durchgeführten Entscheidungsexperiment mit anschließendem Fragebogen nahmen knapp 600 Personalleiter teil, die einer repräsentativen Stichprobe der Unternehmen in Deutschland entstammen. Die Befragten wurden anhand der Bildungsstruktur ihrer Unternehmen in zwei Gruppen geteilt: Die Hälfte der Personalleiter erhielt fiktive Kandidaten mit Mittlerer Reife für eine Lehrstelle, die anderen Personalleiter erhielten fiktive Kandidaten mit Hochschulabschluss für eine gehobene Traineestelle. Es wurden dabei jeweils zwei fiktive Lebensläufe gezeigt, welche grundlegende Informationen über Bildungsabschlüsse und Abschlussnoten, Berufserfahrung, Sprach- und Computerkenntnisse sowie ehrenamtliches Engagement und sportliche Aktivitäten der fiktiven Bewerber beinhalteten. Die Personalentscheider wurden mit der Frage „Welchen Bewerber würden Sie eher zu einem Bewerbungsgespräch in Ihrem Betrieb einladen?“ gebeten, sich für einen der beiden Bewerber zu entscheiden. Sämtliche Lebenslaufmerkmale wurden randomisiert, sodass sich mittels Regressionsanalysen der Einfluss der einzelnen Merkmale auf die Einladungswahrscheinlichkeit errechnen ließ.

Ein anschließender Fragenbogen erfasste Angaben zur Person des Personalleiters und stellte explizite Fragen zu den Auswahlpräferenzen des Personalleiters in seinem Unternehmen allgemein.

Bisherige Analyse-Ergebnisse

Erste Ergebnisse des Experiments legen nahe, dass Schulabschlussnoten bei Einladungsentscheidungen besonders dann wichtig sind, wenn diese direkt vor dem Eintritt in den Arbeitsmarkt erworben wurden. So hat die Schulabschlussnote bei Bewerbern mit Mittlerer Reife einen signifikanten positiven Einfluss auf die Einladungsentscheidung. Bei Hochschulabsolventen, die mit der Hochschulabschlussnote anschließend ein weiteres relevantes Produktivitätssignal erworben haben, hat die Schulabschlussnote hingegen keinen signifikanten Effekt. Hier ist die Abschlussnote des Hochschulabschlusses das wichtigste Lebenslaufmerkmal, gefolgt von der Länge der Berufserfahrung durch Praktika. Neben dem absoluten Notenniveau ist auch der Notentrend zwischen Abitur- und Hochschulnote für die Personalleiter ein wichtiges Merkmal, also ob sich ein Bewerber im Laufe des Studiums seit seinem Abitur verbessert hat. Bei Lehrstellenbewerbern spielen neben der Abschlussnote der Mittleren Reife auch Computerkenntnisse, vor allem aber soziales Engagement eine große Rolle.

Die Ergebnisse des Fragebogens spiegeln die Entscheidungen der Personalleiter im Experiment wider. So halten 67% der Personalleiter die Abschlussnote der Mittleren Reife bei Lehrstellenbewerbern für „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Bei Hochschulabsolventen finden 46% der Personalleiter die Abiturnote wichtig. Dies bestätigt die Annahme, dass die Schulabschlussnote bei direktem Einstieg in den Arbeitsmarkt als unmittelbares Produktivitätssignal wirkt, was bei Hochschulabsolventen, die durch den Erwerb der Hochschulnote ein weiteres Produktivitätssignal erworben haben, abgeschwächt wird. Ob die Abschlussprüfung zentral oder dezentral organisiert war, scheint für die Personalleiter eine untergeordnete Rolle zu spielen. So gibt nur eine Minderheit der Personalleiter an, dass sie einen Bewerber bevorzugt einstellen würde, wenn dieser seinen Schulabschluss in einem Bundesland mit zentralen Abschlussprüfungen erworben hat. Allerdings bevorzugen Personalleiter, die selbst aus Bundesländern mit einer langen Zentralabschlusstradition (wie Bayern und Baden-Württemberg) stammen, Bewerber mit zentral erworbenem Abschluss erkennbar stärker als Personalentscheider, die aus anderen Bundesländern stammen. Diese Differenz ist bei den Lehrstellenbewerbern mit Mittleren Reife größer als bei den Abiturienten.

Nächste Arbeitsschritte

Im weiteren Projektverlauf sollen die Daten detaillierter ausgewertet werden. Zum einen sollen Zusammenhänge zwischen der experimentellen Entscheidung der Personalleiter und den Angaben aus dem Fragebogen untersucht werden. So lässt sich ermitteln, inwiefern die Entscheidung zwischen den Lebensläufen mit den angegebenen grundsätzlichen Präferenzen der Personalleiter übereinstimmt. Des Weiteren sollen Subgruppenanalysen nach Unternehmens- und Personalleitermerkmalen wie zum Beispiel Branchenzugehörigkeit oder Unternehmensgröße bzw. Alter, Geschlecht und Bildungsabschluss des Personalleiters durchgeführt werden.

Projektverantwortlicher:

Prof. Dr. Ludger Wößmann

Kontakt:

woessmann@ifo.de