Projektstandort Hannover
News vom 15.03.2013
Schulinspektion und Eigensinnigkeit – Rekonstruktionen zu Bezugnahmen auf die Schulinspektion im Mehrebenensystem (Prof. Dr. Martin Heinrich)
Die am Projektstandort Hannover durchgeführten Analysen, die auf Befragungen schulischer und schuladministrativer Akteure in den vier Bundesländern Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Thüringen basieren, gehen der Frage nach, welche Umgangsweisen mit der Schulinspektion im Schulsystem zu finden sind. Erste Ergebnisse veranlassen die Forschergruppe um Prof. Martin Heinrich zu der Kernaussage, dass die Vorstellung einer „Schulentwicklung durch Einsicht“, zu der durch die Bereitstellung verobjektivierter Informationen angeregt werden soll, sich kaum mit den rekonstruierten Sichtweisen der befragten Akteure deckt. Für die Mitglieder der Schulverwaltung wird dargestellt, dass sie mitunter den politischen Beschluss zur Einführung der Schulinspektion erst im Nachgang inhaltlich zu füllen und zu legitimieren suchen. Die Inspektor/innen, welche die Inspektion vor Ort an den Schulen repräsentieren, bearbeiten ein zentrales Strukturproblem, das sich daraus zu ergeben scheint, dass die Programmatik einer Schulentwicklung durch Einsicht letztlich keine autonome Umgangsweise mit der Schulinspektion seitens der schulischen Akteure vorsieht.
Für die Lehrkräfte wird festgestellt, dass insbesondere die im Rahmen der Schulinspektion durchgeführten halbstündigen Unterrichtshospitationen im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stehen. Diese werden nach Aussagen der Befragten z.T. als bedrohliche, auf die individuelle Unterrichtspraxis bezogene Überprüfungssituationen empfunden. Die Hannoveraner Forscher interpretieren dies als mangelndes Passungsverhältnis zwischen der jeweiligen Schulkultur bzw. dem professionellen Habitus und der Strukturlogik des Steuerungsinstruments, das die Schule als eine Handlungseinheit adressiert, deren Praxis als extern evaluierbar und damit auch steuerbar verstanden wird.
Wenngleich die Befragungsergebnisse der Schulleitungen darauf hinweisen, dass diese offenbar aus den Inspektionsberichten zumeist keinen direkten Nutzen für ihre Schulen ziehen, so scheinen sie das Instrument aber andererseits auch nicht offensiv zu kritisieren oder infrage zu stellen. Prof. Heinrich schließt daraus, dass die Leitungsebene trotz einer geringen substanziellen Auseinandersetzung mit der Schulinspektion bemüht ist, die Akzeptanz des Kollegiums für das Instrument zu sichern und zumindest formalisierte innerschulische Evaluationsschleifen zu etablieren.
Die aus den quantitativen Analysen des Projektstandorts Bielefeld herauszulesende positive Bezugnahme auf das Programm einer Evidenzbasierung kennzeichnet das Forscherteam insofern als eine rhetorische Zustimmung, welche die Schulinspektion mindestens insoweit mit Legitimität ausstattet, wie diese nicht am Grad der Erfüllung der programmatisch behaupteten Wirksamkeit bemessen wird.