Projektstandort Bielefeld
News vom 15.03.2013
Schulinspektion und Schulentwicklung – Ergebnisse der quantitativen Schulleitungsbefragung aus vier Bundesländern (Prof. Dr. Oliver Böhm-Kasper)
Am Projektstandort Bielefeld wird der Frage nachgegangen, ob die unterschiedlichen Ausprägungen der Schulinspektionsverfahren in vier ausgewählten Bundesländern die Wahrnehmung und Akzeptanz dieses Steuerungsimpulses auf Schulleitungsebene beeinflussen. Grundlage des Forschungsprojekts um Prof. Böhm-Kasper bildet dabei eine quantitative Schulleiterbefragung (N=1470), die zu zwei Messzeitpunkten an allgemeinbildenden Schulen in den vier deutschen Bundesländern Baden-Württemberg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen durchgeführt wurde.Während für Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen keine bedeutsamen Unterschiede in der Wahrnehmung und Akzeptanz festzustellen sind, äußern niedersächsische Schulleitungen eine durchweg niedrigere Zustimmung zur Schulinspektion als die befragten Schulleitungen in den Vergleichsländern. Sie thematisieren häufiger die mit einer Inspektion verbundenen Belastungen und nutzen zudem weniger externe Unterstützung als ihre Kollegen in den anderen untersuchten Bundesländern.
In Niedersachsen wird als einzigem Bundesland bei schwachem Abschneiden eine Nachinspektion praktiziert, die dort im Zeitraum von 2005 bis 2008 für 67 Schulen angesetzt wurde. Wie Berichtsdaten der Niedersächsischen Schulinspektion zeigen, wirkt sich die Möglichkeit, als „failing school“ identifiziert zu werden und daraufhin eine Nachinspektion zu erfahren, offenbar auf die gesamte Akzeptanz und Bewertung des Verfahrens auf Seiten der Schulleitungen aus. Zugleich zeigt sich aber auch, dass die grundsätzliche Androhung einer Nachinspektion bei Nichterreichen bestimmter Qualitätskriterien die Schulen offenbar nicht dazu veranlasst, gezielte Schritte im Zusammenhang mit den durchgeführten Inspektionen einzuleiten.
Als zentraler Befund kann schließlich für alle vier untersuchten Bundesländer festgehalten werden, dass die Schulleitungen kaum Auswirkungen der Schulinspektion auf Maßnahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung sehen.
Die niedersächsischen Schulleitungen zeigen hierbei insgesamt keine auffällig abweichenden Werte vom Gesamtmittelwert. Etwas differenzierter erscheint das Bild, wenn nur Schulen betrachtet werden, die tatsächlich einer Nachinspektion unterzogen wurden: Basierend auf den Daten des 2008 veröffentlichten Reports der Niedersächsischen Schulinspektion konnte festgestellt werden, dass sich 12 von 14 der im Jahr 2008 nachinspizierten Schulen insoweit verbessert hatten, dass sie zumindest die definierte Mindestnorm für Schulqualität überschreiten konnten. Inwieweit hier gesonderte Unterstützungsmaßnahmen oder sensibilisierte Bewertungen der Inspektoren wirksam waren, konnten die Forscher den Berichtsdaten nicht entnehmen.
Im Vergleich zu angelsächsischen Studien, in denen laut Prof. Böhm-Kasper eher die Belastungen und der Kontrollaspekt von Schulinspektionen thematisiert werden, fällt in deutschsprachigen Untersuchungen die Akzeptanz der Schulinspektionsverfahren zum Erstaunen der Forscher insgesamt hoch aus. Selbst in Niedersachsen überwiegen bei den Schulleitungen die positiven Einschätzungen des Inspektionsverfahrens und der die Inspektion durchführenden Inspektoren. Weiterhin tragen eine positive Wahrnehmung des Inspektorenteams und die von den Schulleitungen empfundene Angemessenheit des Inspektionsberichtes zur Anerkennung von Schulinspektionsverfahren bei. Die auch in anderen deutschen Studien bereits ermittelte ‘Passung‘ von Inspektionsergebnissen und dem Selbstbild der Schule und die damit einhergehende Akzeptanz und Wertschätzung des Verfahrens durch die Schulen lassen sich auch anhand der hier dargestellten Befunde replizieren. Einen möglichen Erklärungsansatz hierfür bietet Prof. Heinrich im nachfolgenden Beitrag an.
Als problematisch wird die kaum wahrgenommene Unterstützung durch die Schulbehörden im Nachgang von Schulinspektionen oder externen Leistungsvergleichen bewertet: Alle untersuchten Schulinspektionsverfahren zielen letztendlich auf eine Anregung der Verbesserung schulischer Arbeit. Dieser intendierte Effekt konnte aber anhand der hier berichteten Daten insgesamt nicht nachgewiesen werden. Inwieweit dies möglicherweise den als mangelhaft wahrgenommenen Unterstützungsleistungen durch die Schulbehörden geschuldet ist, wird Gegenstand weiterer Untersuchungen des Forschungsprojekts sein.